Tiefe Dunkelheit und die Suche nach Erleuchtung

Dezember 2022

Wenn der Wind die letzten Blätter vom Baum erlöst hat und Raureif den Morgen begrüßt, beginnt eine Zeit, in der die Natur nur noch ihr Gerippe zeigt. Aber tief in den Pflanzen und Wurzeln wächst ein Sehnen nach dem Licht. Denn schon jetzt konzentrieren sich im Inneren Energien, die den Aufbruch im Frühjahr vorbereiten. Hoch im Norden herrscht die ewige Dämmerung, und auch weiter südlich dauern die Nächte fast doppelt so lang wie der Tag. Auf ihrer kurzen Reise steht die Sonne schräg und Nebel fangen ihre Strahlen. Manchmal hält sich der Dunst über Tage in Tälern und Mulden. Aber über den Niederungen, auf Hügeln und Bergkuppen, reicht der Blick weiter als zu jeder anderen Jahreszeit.

Die Suche nach Erleuchtung

Der astrologische Tierkreis lässt sich als eine Folge von zwölf Urprinzipien oder Archetypen begreifen. Ähnlich den Platonischen Ideen, den Urprinzipien aller Erkenntnis und allen Seins, waren sie schon immer und werden immer sein. Sie erfüllen den gesamten Kosmos und daher auch jeden Menschen. Die Aufeinanderfolge dieser Prinzipien spiegelt ein universelles Gesetz. Jeder Abschnitt baut auf dem vorhergehenden auf und führt ihn weiter.

Alle zwölf Abschnitte aber erfüllen sich im Kreis, in dem jedes Prinzip seinen Teil am Ganzen trägt. Die Zeichen Widder bis Jungfrau spiegeln Stufen der Ichentwicklung. Vom Widder (Ich-Durchsetzung) über Stier (Ich-Festigung) zu Zwillinge (Ich-Austausch). Dann von Krebs (Selbst-Entdeckung) über Löwe (Selbst-Ausdruck) zu Jungfrau (Selbst-Aussteuerung). Mit dem Waagezeichen manifestiert sich eine Außenorientierung; das Ich begegnet einem gleichwertigem Du. Auf der Ebene des Skorpion Zeichen wiederum manifestiert sich die Idee der Gemeinschaft und die Einbindung des Ichs in sie. Im Übergang vom 8. Sternzeichen Skorpion zum 9., dem Schützen, geschieht etwas  Neues: Etwas im tiefsten Wesen der Menschen erwacht, das sich der physischen Natur entgegenstellt, sich über sie erhebt. Aus der Sicht des Skorpions zählt nur das Überleben der Gemeinschaft, der Sippe, des eigenen „Blutes“, der eigenen Rasse und die dies alles bewirkenden Triebe: Geboren werden, sich entwickeln, ums Überleben kämpfen, Nachfahren zeugen, sterben! Im 9. Abschnitt jedoch, dem Schützen, entsteht ein Sehnen nach einer anderen Wirklichkeit, die über dieses Naturgesetz hinausreicht: der Wunsch nach Sinnhaftigkeit, nach Licht und Erleuchtung, nach Unvergänglichkeit. Mit diesem Sehnen wird der Schütze Mensch geboren, ein Wesen, das nicht mehr nur seinen Trieben, seiner animalischen Natur folgt. Diese Sehnsucht nach Licht offenbart sich überall in der Natur, in den Wurzeln und Knospen.

Die Angst vor dem Bösen

Der Kalender der katholischen Kirche, der mit den Geschehnissen der Jahreszeit innig verflochten ist, kündigt im Dezember Rorare-Messen an. Rorare heißt auftauen, und die Gläubigen werden noch in der Frühdämmerung in der erleuchteten Kirche mit Gesängen und heiligen Worten empfangen und seelisch erwärmt. In früheren, heidnischen Zeiten wurden Dämonenkulte durchgeführt. Man musste den Ritt der Hexen abwehren oder sich von Thors gefürchtetem Reiterheer schützen. Aber während man in der Zeit des Skorpions diesen Kräften hilflos ausgeliefert war, versucht man jetzt, die Unterwelt zu bannen und aus ihr einen Nutzen zu ziehen: Am 4. Dezember stellt man Barbara-Zweige, meistens Kirschzweige, ins Wasser, und der Bauer verfolgt  gespannt deren Wuchs – weil er daraus auf den Ertrag der kommenden Ernte schließen kann.

Am 6. Dezember ist Nikolaus und damit „Kindergericht“. Meist kommt  Nikolaus aus dem Wald, oft auf einem Pferd oder Esel. Aber fast immer begleiten ihn dämonische Gestalten, die zwar vom heiligen Alten gebannt waren, aber allein ihr Aussehen flößten Furcht und Schrecken ein. Wer von den Kindern gut und fleißig war, wurde beschenkt, den anderen drohte Strafe. Die Adventssonntage sind ebenfalls Kinder des Dezembers und sind als Lichtbringer zu verstehen.

Jupiter der Glücksbringer

Wenden wir uns jetzt dem wichtigsten Lichtbringer zu, nämlich Jupiter, dem Herrscher  des Zeichens Schütze. Er bringt Glück. Natürlich versteht  ein normal Sterblicher darunter, dass er mit  irdischen  Gütern gesegnet wird oder noch besser obendrauf mit Gipfelerlebnissen in der Liebe. Aber das Glück Jupiters besteht darin, an geistigen Gipfelerlebnissen teilzuhaben, vielleicht sogar überhaupt über irdische Befriedigungen hinauszureichen.

Ein interessanter Gesichtspunkt ist sicher, dass anscheinend in uns Menschen der Wunsch nach kosmischer Erfüllung in der Liebe  wirkt. Der Orgasmus wird zur kleinen Erleuchtung erhoben. Dazu passt, dass in manchen Familienaufstellungen eine Sehnsucht auftaucht, den eigenen Vater mit Jupiter zu verbinden, sozusagen, um auf diese Weise am  Glück einer kosmischen Befruchtung teilzuhaben.

Und noch etwas ist anzufügen: Das Zeichen Schütze genauso wie das neunte Haus, insbesondere, wenn  sich darin persönliche Planeten einquartiert haben, verleihen eine Art Wandertrieb. Der Wunsch, Grenzen zu überschreiten ist  dann wie angeboren. Oft verbindet man sich auch mit einem Partner aus einem anderen Land. Ob darin sich der Wunsch versteckt, aus unliebsamen und unbequemen Situationen zu flüchten, so wie unsere Zugvögel die Zeit des Schützen in warmen Gegenden verbringen?

Noch ein letzter Hinweis für Sportler, besonders Fußballfans: Wer im Zeichen des Schützen einen gut gestellten Jupiter oder ein stark besetztes, neuntes Haus besitzt, wird vom Sportfieber gepackt. Vielleicht versteckt sich darin auch der Wunsch, (körperliche) Grenzen zu überwinden. Passend hierzu ist, dass  die Fußballweltmeisterschaft heuer am 20. November beginnt, also einen Tag vor Schütze Beginn, und sich dann bis weit in den Schützen hinein erstreckt.

Ihr Erich Bauer

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