Im Niemandsland

März 2022

Über kein anderes Sternzeichen existieren so viele unterschiedliche, zum Teil auch widersprüchliche Deutungen wie über die Fische. Es handelt sich um den zwölften und damit letzten Abschnitt im Tierkreis und damit um so etwas wie das Finale, die Essenz, den Höhepunkt.

Wie auf allen gängigen Abbildungen ersichtlich handelt es sich nicht um einen Fisch, sondern um zwei, also Plural. Dabei liegen die beiden Tiere verkehrt, also um 180° verdreht, der Kopf des einen liegt auf den Füßen des anderen. Sicher ist das einerseits ein Zeichen für besondere Innigkeit und großes Vertrauen. Aber noch mehr wird so ausgedrückt, dass der Kopf, normalerweise die Krönung des Menschen, seine Bedeutung verliert.

Man sagt, Fische seien besonders sensibel und nehmen Geräusche und Töne über ihren ganzen Körper wahr. Das ist eine weitere Bestätigung ihrer außergewöhnlichen Aufnahme und Verarbeitung der Umwelt und ist zugleich eine weitere Entthronung des Kopfes. Dann sind Fische Wassertiere. Dass Töne im Wasser sehr weit übertragen werden, ist ein zusätzlicher Hinweis auf die besondere Art der Beziehung zwischen dem Tier Fisch und seiner Umwelt, dem Wasser.

Dass wiederum Fische-Menschen sehr sensibel sind, wird in allen Deutungen betont und von Fischegeborenen bestätigt. Ds reicht von „sensibel“ bis „hellhörig“, nicht selten sogar bis „medial“. Damit sind wir bei der eigentlichen Bedeutung, nämlich dass das Zeichen Fische etwas Seelischen bedeutet.

Was verstehen wir darunter?

Bestimmt nicht etwas Sichtbares. Mit anderen Worten, wenn wir das Energiefeld der Fische betreten, heißt es, dass wir nichts Physisches, Reales, Sichtbares erwarten dürfen. Der Inhalt des Zeichens Fische ist also ein einziges großes Fragezeichen. Es wird daher auch häufig mit dem Göttlichen gleichgesetzt. Dann wären also alle Menschen die unter dem Sternzeichen Fische geboren sind, göttlicher als der Rest.

Natürlich ist das nicht der Fall, wenigstens meistens. Menschen mit dem Tierkreiszeichen Fische verhalten sich ganz real und ganz praktisch in unserer Welt, müssen sich genauso plagen, wie andere Sternzeichen auch. Göttlich? Wie bitte schaut das aus?

Das Zeichen Fische folgt dem Abschnitt Wassermann. Es ist das elfte Zeichen und macht sich so bemerkbar, dass es dazu veranlasst, aus der Norm auszuweichen, irgendwie anders zu sein. Gehen wir noch ein Zeichen weiter zurück, dann sind wir beim Steinbock. Dieses Sternzeichen vertritt den Common Sense, das Vorherrschende, Allgemeine und Gültige, also Normen und Vorstellungen, die verbindlich sind für alle. Also geht es dem Wassermann darum, sich von dieser Allgemeinheit zu befreien, nackt, frei, anders zu sein, um dann im Zeichen Fische etwas zu erfahren, was in irgendeiner Weise mysteriös oder vielleicht auch göttlich ist.

Das macht Sinn. Im Zeichen Steinbock sind wir einer wie jeder, jedenfalls wenn es um allgemein gültige Wahrheiten geht. Im Zeichen Wassermann können wir uns davon befreien. Genau das ist die Voraussetzung, um im Zeichen Fische dem Besonderen zu begegnen, etwas, was man nicht weiß, was auch keinen Namen trägt.

Aus dem Osten kommt eine Kunde, die dieses Unfassbare besser kennt: Nirvana, Nichts, die letzte und eigentliche Wahrheit sind Umschreibungen über Meditation würde man sich dieser letzten Wahrheit nähern können. Es ist etwas, was sich eben kaum in Worte fassen lässt, was aber umgekehrt eine große Macht über uns hat, und letztendlich näher ist als alles andere. Vor allem aber ist es uns deswegen so nahe, weil es kaum von unserer normalen  Lebensbedingungen beansprucht wird.

Ungefähr bis zu unserem vierten Lebensjahr sind wir noch weitgehend in dieser Welt. Dass wir danach Jahre auf Schulbänken verbringen, unseren Eltern gehorchen müssen, macht uns immer stärker zu einem Mitglied der sogenannten, sozialen Wirklichkeit. Zugleich entfernen wir uns immer weiter vom Sein des Zeichens Fische, obwohl es unsere Grundsubstanz darstellt.

Gilt das nur für Fischegeborene?

Natürlich nicht! Jeder Mensch hat einen Teil Fische und wird davon sein ganzes Leben lang begleitet. Um daran wieder teilzuhaben muss man nur loslassen. Das klingt furchtbar einfach, ist aber furchtbar schwierig, weil uns die Welt, die im Zeichen Steinbock kulminiert, entsetzliche Vorhaltungen macht, wenn wir uns in das Reich der Fische begeben.

Der Alkohol zum Beispiel ist eine Brücke hinüber in dieses Sein. Exzessiv betrieben, macht er krank.

Eine andere heißt Meditation. Hier lernt man, sich nicht damit zu identifiziert, was man denkt, fühlt und empfindet, letztendlich mit dem, wer oder was man ist, sondern dass man sich davon distanziert und sich dabei zuschaut. „Zuschauen“ oder wie es auch genannt wird „beobachten“, „wahrnehmen“ oder „höheres Bewusstsein“ ist ein Weg in das zwölfte Zeichen Fische. Normalerweise sind wir ja immer genau das, was wir gerade erleben. Wir werden nervös, weil uns ein Problem im Kopf herumgeht, machen uns Sorgen, weil es irgendwo im Körper wehtut und genauso freuen wir uns, wenn wir etwas Schönes oder Lustvolles erleben.

Genau darum geht es, sich nicht mehr damit zu identifizieren, was normalerweise gerade unsere größte Selbstverständlichkeit ist. Denn wir sind, was wir denken, haben, was wir fühlen, leiden darunter, wenn uns etwas schmerzt und freuen uns, wenn uns etwas gefällt. Wir sind unser „Ich“, so wie es im Laufe unseres Lebens geworden ist. Genau hinter diesem „Ich- oder Ego-Kult” beginnt die Welt der Fische.

Dort lernt man, sich zu beobachten und sagt sich dabei: „Ich bin nicht, was ich denke, fühle, usw.“. Mit der Zeit wird daraus die Fähigkeit, sich auch so zu beobachten, wenn man nicht meditiert. Man nähert sich immer mehr diesem geheimnisvollen Sein der Fische. In der Welt des Westens wird dieses Sein oft „paradiesisch“ und entsprechend erfüllend und beglückend genannt.

Jeder hat Sehnsucht nach diesem Zustand. Allerdings ist sie anscheinend bei Fischegeborenen ausgeprägter als bei anderen, weswegen sie z.B. eher einen kirchlichen Weg einschlagen oder einer Tätigkeit nachgehen, in der es wenigstens darum geht, Ähnliches zu erwirken, zum Beispiel in einer Therapie.

Auch westliche Religionen kennen und praktizieren ähnliche Wege. Am bekanntesten ist die Praxis des Fastens, die sicher nicht zufällig mit der Zeit der Fische weitgehend zusammenfällt.

Ihr Erich Bauer

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