November 2021
Wer nicht stirbt, bevor er stirbt
Ende Oktober feiert die Natur ihr großartiges Finale. Wie im Mai erglühen die Bäume, aber das tiefe Rot und das stechende Gelb der Blätter verkünden keinen Neubeginn, sondern das Ende. Der leiseste Windhauch genügt, und die Blätter lösen sich vom Baum, tanzen durch die Luft, bis sie raschelnd den Boden berühren. Manchmal legt sich dichter Nebel wie ein nasses Tuch über die Erde und erstickt jeden Laut. Das Lied der Vögel ist verstummt; nur das heißere Krächzen der Krähen bleibt. Zuweilen vergoldet die Sonne das Land und die Natur erstrahlt in einem orgiastischen Farbenrausch. Es ist ein letztes Fest – eine letzte, tiefe Hingabe –, ein Liebeslied an den Tod.
Am 24. Oktober ist der Festtag des Erzengels Raphael. Er soll vor Krankheit und dem Bösen schützen. Am 1. November ist Allerheiligen und am folgenden Tag Allerseelen. Auf den Friedhöfen gedenkt man der Toten und stellt „ewige Lichter“ auf. Dieser Brauch hat heidnische Wurzeln, denn nach altem Volksglauben steigen in den Novembernächten die unerlösten Toten aus ihren Gräbern. Die Lichter dienen als magische Schutzkreise und sollen diese unglücklichen Seelen daran hindern, den Friedhof zu verlassen. In den Nordländern stellte man zusätzlich Speisen auf die Gräber, um die Toten zu besänftigen und dort zu halten, wo sie hingehören.
Dem Schutz des Lebens vor der Dunkelheit gelten auch die Umzüge der Bauern am 6. November, dem Sankt-Leonhards-Tag. Bis in unsere Zeit hinein werden an diesem Datum Kapellen umritten, die auf einer einsamen Anhöhe stehen und sicher einmal heidnische Kultplätze waren. Auch der Brauch, am 11. November, dem Sankt-Martins-Tag, eine Gans zu schlachten, hat heidnische Wurzeln: Die weise Gans galt als Symbol des Lichts. Ihr Opfer sollte die Dunkelheit besänftigen. An selbigem Tag verschwindet im Norden die Sonne für ungefähr drei Monate unter dem Horizont.
Auch die jahreszeitlichen Feiern anderer Kulturen beziehen sich auf Tod und Vergänglichkeit. In Athen hielt man Totenfeiern ab, und in Rom wurde das Oktoberreiten durchgeführt. Dabei opferte man das Pferd, das den Siegeswagen auf der rechten Seite zog.
Erstaunlicherweise ist mitten im Monat des Skorpions Faschingsbeginn, genau am 11. 11. um 11.11 Uhr. Die Beziehung zum elften Zeichen, dem Wassermann, ist eindeutig, aber auch beabsichtigt? Will man in diesem dunklen Abschnitt des Sterbens einen Fingerzeig der Hoffnung auf eine andere, ausgelassenere Zeit setzen?
Auf der Ebene des Tierkreiszeichens Skorpion geht es um die Themen Loslassen, Sterben und Tod. Aber die Astrologie offenbart auch deutlich, dass der Tod nicht das endgültige Ende ist. Wäre dem so, müsste der Skorpion das letzte Sternzeichen im Tierkreis sein. Aber es ist „nur“ das achte. Ihm folgt das neunte, der Schütze. In diesem Zeichen geht es um geistige Welten, besonders darum, dem Tod einen Sinn zu verleihen. Umgekehrt ist die Erfahrung des Todes häufig ein Anlass, um sich auf die Welt des Schützen einzulassen. Man sucht Trost in der Kirche oder mit Hilfe esoterischer, bzw. spiritueller Schulen. Worum es letztendlich im Skorpion geht ist, sich mit dem Tod zu versöhnen. Der Tod ist eben nicht das Ende, sondern eher ein Weg zu einem höheren Bewusstsein. Aber das setzt voraus, loszulassen. Was stirbt ist das Ich, das im Zeichen Widder geboren wurde und im Löwen einen absoluten Höhepunkt erleben durfte. Jetzt, im Skorpion, muss es sich wandeln, loslassen und sterben – oder es wird zur hilflosen Maske.
Der Planet, der dem Skorpion zugeordnet ist, Pluto, verkörpert ebenfalls diesen Prozess des Loslassens und Verwandelns. Man liest oft in astrologischen Deutungen etwas anderes über ihn, nämlich dass er, Pluto, mit Macht verbunden sei. Das ist falsch. Ein Pluto im Horoskop kann zwar tatsächlich mächtig werden, aber das geschieht als Notlösung, aus verzweifelter Angst vor dem Tod. Das wird gerade jetzt im Zusammenhang mit Corona überdeutlich: Letztendlich steckt doch hinter den ganzen Verhütungsstrategien dieser Welt gegen Corona nichts als nackte Todesangst, die man aber nicht beim Namen nennt. A uf der anderen Seite übt das versteckte Thema Tod eine große Faszination aus: Jede Maske im Gesicht ist insgeheim eine Verbeugung vor dem Tod – genau wie das ständige Aufzählen neuer Ansteckungen und Todesfälle in den Medien.
Pluto befindet sich seit über zehn Jahren im Tierkreiszeichen Steinbock. Dieser Abschnitt gilt als Repräsentant gesellschaftlicher Macht. Pluto in diesem Sternzeichen verbreitet Angst vor dem Untergang. Pluto im Steinbock signalisiert, dass diese übergeordnete Instanz dem Untergang geweiht ist. Dass unsere Regierungen weltweit hilflose und oft so widersprüchliche Strategien ausgeben, ist dafür nur ein Zeichen. Im Umgang mit Corona gab es auch die Meinung, dass die Seuche nach einem bis eineinhalb Jahren erledigt gewesen wäre, hätte man nicht mit hundert und mehr Initiativen ihr Leben verlängert.
Im Zeichen Skorpion geht es also darum, das Ich zu Grabe zu tragen. Das geschieht auf eine ganz natürliche Art und Weise immer dann, wenn man ein Kind bekommt. Letztendlich ist ein Kind ein Bekenntnis, dass man selbst nicht ewig bleibt. Man lebt in seinen Kindern und Kindeskindern weiter – eine andere Form der Erlösung des Ichs. Dieser Griff in die Natur ist aber doch auch nur eine Notlüge. Letztendlich geht es darum, das Ich zu Grabe zu tragen – zu sterben, bevor man stirbt. Nur so lebt man ewig.
Ihr Erich Bauer